Warum Franzosen beim Abendessen nicht hetzen

Warum Franzosen beim Abendessen nicht hetzen – ein Blick auf ihre Tischkultur

Wer schon mal in Frankreich zu Abend gegessen hat, der weiß: Das geht nicht im Vorbeigehen. Essen ist da nicht bloß Nahrungsaufnahme, sondern eher ein kleines Alltagsritual – fast schon wie ein gemütliches Abendgespräch mit Besteck.

Franzosen kauen nicht nur langsam – sie leben das Abendessen. Während anderswo schnell mal was aufgewärmt wird, während nebenbei die Mails gecheckt oder Nachrichten geschaut werden, wird in Frankreich der Tisch gedeckt, der Wein geöffnet und sich Zeit genommen. Man weiß: Das kann dauern.

Aber woher kommt diese entspannte Haltung beim Essen eigentlich? Und warum hat sie sich bis heute gehalten – trotz Schnelllebigkeit, Terminstress und Lieferdiensten?

Essen ist kein Ablauf, sondern ein Ritual

Für viele französische Familien ist das Abendessen so etwas wie der ruhige Hafen des Tages. Nicht nur, um satt zu werden – sondern um sich zu treffen, runterzukommen, miteinander zu sein. Man isst nicht, wenn man gerade Hunger hat, sondern wenn alle da sind.

Klassisch läuft ein Abendessen in Frankreich oft in Etappen ab: eine kleine Vorspeise, dann der Hauptgang, eventuell Käse oder Salat und am Ende ein Dessert oder einfach etwas Obst. Nicht immer natürlich – manchmal reicht auch Suppe und Brot. Aber selbst dann wird der Tisch vorbereitet, und es gibt ein Gefühl von „Jetzt ist Essenszeit“.

Dabei geht es nicht um Luxus, sondern um Aufmerksamkeit. Die Mahlzeit wird bewusst begonnen, Smartphones bleiben oft weg vom Tisch, und geredet wird sowieso. Kinder wachsen damit auf, dass zwischen den Gängen Pausen sind – und dass man nicht schlingt, sondern genießt.

Es wird mehr geredet als gekaut

Es wird mehr geredet als gekaut
Foto tastefrance.com

Wenn du dich fragst, warum ein französisches Abendessen sich so zieht – dann liegt’s nicht an der Gabel. Es ist das Gespräch. Essen ist dort auch immer ein Raum zum Austauschen. Keine Pflichtfloskeln, sondern echte Gespräche. Da wird diskutiert, gelacht, erzählt, gefragt und manchmal gestritten – oft alles in einem Abend.

In Frankreich sagt man gerne refaire le monde – also „die Welt neu machen“. Und das passiert gefühlt jeden Abend am Tisch. Man löst vielleicht keine Probleme, aber man redet darüber. Und meistens gehört ein Glas Wein dazu.

In Restaurants merkt man das besonders: Niemand bringt ungefragt die Rechnung. Der Tisch gehört dir – so lange, wie du willst. Selbst wenn das Dessert längst Geschichte ist, bleibt der Moment. Das Essen ist erst vorbei, wenn die Runde sich wirklich auflöst.

Essen ist Teil der Kultur, nicht bloß Alltag

Wie man in Frankreich isst, sagt viel darüber aus, was den Leuten dort wichtig ist. Genuss, Qualität, Balance, ein gewisser Rhythmus. Es geht nicht ums Viel, sondern ums Gut. Und das gilt nicht nur für die Sterneküche – sondern auch für die Mittagspause im Büro.

Fast Food gibt’s natürlich auch, aber es hat nie so richtig den Ton angegeben. Selbst in der Kantine gibt’s meist etwas Warmes, oft mit Beilage, manchmal sogar mit Dessert. Hauptsache: sitzen, kauen, Zeit haben.

Snacks auf der Straße, Croissant im Gehen – all das sieht man eher selten. Essen passiert zu festen Zeiten. Und wenn gegessen wird, dann richtig – im Sitzen, mit Teller, Besteck und Gespräch.

Eine Einladung zum Runterkommen

Eine Einladung zum Runterkommen
Foto familysearch.org

Während überall sonst alles schneller wird, bleibt das französische Abendessen standhaft langsam. Es ist wie ein ruhiger Gegenpol zum hektischen Alltag. Statt Eile gibt’s Gelassenheit. Statt „Schnell noch was essen“ heißt es: „Setz dich, bleib ein bisschen.“

Langsam essen heißt nicht, nichts zu tun. Es heißt: diesen Moment bewusst gemeinsam erleben. Man sitzt mit Partner oder Freunden, mit Kindern oder Eltern – und ist einfach da. Man hört zu, man spricht, man schweigt, man genießt. Manchmal streitet man sich auch, aber selbst das hat Platz am Tisch.

Klar, auch in Frankreich verändert sich was. Lieferdienste, Schichtarbeit, schnelle Snacks – das alles gibt’s auch. Aber die Idee, dass ein Essen mehr sein kann als nur satt zu werden, bleibt bestehen. Und sie lebt weiter, weil sie funktioniert. Weil sie Nähe schafft.

Fazit: Esst wie die Franzosen – nicht schneller, sondern schöner

Ein französisches Abendessen ist keine To-do-Liste mit Gängen. Es ist ein Moment zum Durchatmen. Zum Ankommen. Es bringt Menschen zusammen, macht aus einem normalen Dienstagabend etwas Besonderes – einfach, indem man sich Zeit nimmt.

Also: Nächstes Mal, wenn du zu Abend isst – mach’s wie in Frankreich. Lass dir Zeit. Decke den Tisch. Hol jemanden dazu. Lass es ruhig länger dauern. Nicht weil du musst, sondern weil’s gut tut.

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